Das Schützenwesen bis 1989
Das Schützenwesen in Steinhorst sowie Lüsche-Räderloh-Auermühle hat unterschiedlichen Ursprungund ist zeitlich weit voneinander entfernt gegründet worden. Während das Steinhorster Schützenfest nach mündlichen Überlieferungen und Aufzeichnungen in einem seit 1907 geführten Protokollbuch weit über 300 Jahre gefeiert wird, können die Dörfer Lüsche, Räderloh und Auermühle auf das Gründungsjahr 1925 zurückblicken.
Die heutige Schützengesellschaft Steinhorst begeht jedes Jahr zu Pfingsten ihr traditionelles Schützenfest. Während früher das Kinderschützenfest als dritter Schützenfesttag begangen wurde, liegt es heute eine Woche nach Pfingsten.
Ein von Heinrich Wismer 1907 begonnenes Protokollbuch faßt vor dieser Zeit liegende Ereignisse nur kurz zusammen. Namentlich wird als erster Schützenkönig für das Jahr 1850/51 Heinrich Buhr, Haus-Nr.4 (heute Dammstrasse 7, H.Schmidt) erwähnt. Von 1867 bis 1870 fanden in Steinhorst keine Schützenfeste statt, ebenso von 1914 bis 1920 und von 1939 bis 1950.
Erster Schützenkönig nach dem zweiten Weltkrieg war mit Wiederbeginn der Schützenfeste im Jahre 1950 Ernst Güß. Besonders erwähnenswerte Geschehnisse von vor 1950 veranstalteten Schützenfesten werden dem Protokolleintrag des H.Wismer aus dem Jahre 1950 deutlich:
Die im Jahre 1850 angeschaffte Schützenkette nennt nicht das Geburtsjahr des Schützenfestes. Das Schützenfest ist schon viel älter. Nach Erzählungen alter Leute hat die Schützengilde ein Alter von ungefähr 300 Jahren. Steinhorst war lange Zeit Amtssitz eines Vogtes, und nur Vogteien hatten das Recht, eine Schützengilde zu bilden. Der Schützenkönig erhielt als Entschädigung das Schießgeld nach Abzug der Unkosten für Scheibe, Anzeigen, Patronen und dergleichen. Weiter stand ihm die Schenke (Theke) zu, welche es selbst ausüben oder verpachten konnte. In früheren Jahren Zeiten hatte der König selber, auf seinem Hof ein Zelt erbaut.
Ab 1884 ist die Schenke immer vom König verpachtet worden. Bei Abholung des Königs hatte derselbe die Schützen am ersten Nachmittag mit Butterbrot und Bier zu bewirten, desgleichen am zweiten Tag vormittags. Die Offiziere, Fahnenträger, Begleiter p.p. anstatt Bier gab es Wein, welches 1920 zum letzten Mal geschehen ist.
In früheren Zeiten waren Papiere (Statuten) vorhanden, die aber leider nach Förster Schulz`Zeiten verloren gegangen sind.
Es waren auch Dreispitz (Hutform) und Säbel vorhanden. Vierzehn Tage vor dem Schützenfest wurde abends exerziert und von den Jungen Leuten der Scheibenstand in Ordnung gebracht.
Auch wurden die Jüngsten, die Schützenfest mitfeiern wollten, für voll erklärt, indem sie einen Liter Schnaps spendierten.
Jeder Schützenkönig war verpflichtet, eine Plakette an der Schützenkette anzubringen, die einen Silberwert von fünf Mark hatte. König konnte nur der werden, der Hauseigentümer oder Vertreter war und sich am Ausmarsch beteiligte.
Vom letzten Schützenkönig vor dem Zweiten Weltkrieg, Otto Schmidt sen. (1939), wurde am 18.März 1950 die erste Schützenversammlung einberufen. Man feierte wieder Schützenfest. Das Ausschießen des Königs fand auf dem Schießstand in Heines Obstgarten mit einem Luftgewehr statt, da die Militärregierung die Benutzung eines Kleinkalibers nicht erlaubte.
Schon im Jahre 1951 wurde der Schießstand im Reinhorn eingerichtet. Der damalige König Ernst Güß bemühte sich um Freigabe und Beschaffung von Kleinkaliberbüchsen und Munition. Es wurden 1500 Schuß freigegeben. Zum Schützenfest 1952 stiftete Ernst Güß der Schützengesellschaft eine Fahne, die im selben Jahr feierlich geweiht wurde.
Das Kommando erhielt auf Beschluss der Mitgliederversammlung nach Maß gefertigte Röcke (Uniform) unter der Voraussetzung, dass Oberst, Hauptmann und Feldwebel ihren Posten noch mindestens fünf Jahre ausüben würden (1955). Seinen Dienst versah das damalige Kommando vom Pferd aus. So stellten Otto Wehner und Heinrich Friederichs je ein Pferd zur Verfügung.
Eine von Bauer Heinrich Düvel 1954 gestiftete silberne Königskette für den Kinderschützenkönig wird heute noch getragen. Die Schützenkameraden Fritz Röhling, Hermann Röhling, Georg Heyer und Ernst Gaes stifteten für die unansehnlich gewordene schwarz-weiß-rote Kinderfahne, eine in der Farbe grün. Die passenden Schärpen spendete Erich Tietje.
Der Schießstand im Reinhorn findet häufig Erwähnung. So wurden Sicherheitsvorkehrungen ständig verbessert. Ein Gebäude vom alten Forsthaus wurde als Unterstands-Halle auf dem Schießstandgelände errichtet. Durch Geld- und Sachspenden sowie tatkräftigen Einsatz konnte dieses Gebäude in kurzer Zeit errichtet werden.
In den folgenden Jahren wurde hieraus eine Schützenhalle mit Ausschank in ansprechender Atmosphäre. Das jährlich Pfingstsonnabend beginnende Schützenfest, wird mit einem großen Umzug und dem Einholen der Könige, sowie dem Königsessen eröffnet.
Eine Blaskapelle, der Fanfarenzug Steinhorst und der Spielmannszug Steinhorst begleiten den farbenprächtigen Ausmarsch, an dem auch eine Abordnung des Schützenvereins Lüsche-Räderloh teilnimmt
Der am 29.Oktober 1988 in Heines Gasthof gegründete Schützenverein mit der Bezeichnung:
Schützengesellschaft Steinhorst von 1850 e.V. hat sich als besonderes Ziel gesetzt,
dass Steinhorster Schützenfest auch weiterhin als Volksfest für jedermann zu gestalten.
Das Schützenwesen in Räderloh, Lüsche und Auermühle nahm seinen Anfang am 4. September 1925. Der Gründungsversammlung wurden als Zweck und Ziele des Vereins
“ Ausbildung des Schießsports, kameradschaftliches Beisammensein und gutes Einvernehmen der gesammten Bürgerschaft „
vorgestellt.
Wer in den Schützenverein eintreten wollte, musste eine Goldmark beibringen. Monatlich galt es,50 Goldpfennig als Beitrag zu zahlen. Um laufend im Gespräch zu bleiben, wurde jeden zweiten Sonnabend im Vereinslokal eine Versammlung abgehalten, auf der auch der Monatsbeitrag einzuziehen war.
Auf dem Grundstück, des damaligen Vereinswirtes Wilhelm Hamburg, in Lüsche erbaute man schon 1925 einen Schießstand mit einem Scheibenabstand von 100 m. Zur Beschaffung einer ersten Büchse musste jedes Mitglied drei Reichsmark einzahlen.
Da das Schießen mit großem Kaliber stattfand, an den Schießstand Viehweiden angrenzten, gab der Vorstand der Beindorff`schen Gutsverwaltung die Zusage, ihr jeweils 24 Stunden vor jedem Schießen, davon Nachricht zu erteilen und für eventuelle Schießunfälle an Weidevieh zu haften. Preisschießen waren auch zu früheren Zeiten beliebt. Ein Protokoll vom 11. Februar 1926
nennt dafür typische Preise:
1 Spaten – 2 Äxte – 1 Emailleeimer – 2 Zinkeimer – 1 Bügelsäge – 3 Kartoffelkörbe –
1 Brieftasche – 1 Spazierstock – 1 Luftpumpe – 1 Flasche Nordhäuser – 50 Zigaretten –
2 Radmäntel – 1 Rucksack – 1 elektrische Zuglampe – 1 Selbstbinder.
Hiermit wird deutlich, das überwiegend Dinge für den täglichen Gebrauch als wünschenswert erschienen. Das Schützenfest fand damals auf einem Zelt statt. Dieses wurde durch folgende Anmerkung deutlich:
Das Schützenzelt besorgt der Vereinswirt W. Hamburg!
Die Munition für das Übungs- und Preisschießen wurde in Eigenarbeit gefertigt. Eine Bestellung bei Fa. Beyer in Celle aus dem Jahre 1926 umfasste 200 Patronenhülsen und 8 kg Bleikugeln. Erster „Lademeister“ war Otto Heuer aus Lüsche. Im Jahre 1928 stiftete der amtierende König, Senator Beindorff, dem Schützenverein eine Fahne. Diese begleitet nach über 60 Jahren auch heute noch die
Schützenfeste in Räderloh, Lüsche und Auermühle. Auch für Hüte sorgte Senator Beindorff. Sie waren einheitlich als Südwester (Kopfbedeckung für Seefahrer, vorne eine breite Krempe, die hinten weit überhängt).
Erwähnenswert aus dieser Anfangszeit des Vereinslebens ist auch, das der jeweilige Kronprinz von Jahr zu Jahr Fahnenträger wurde. Ab 1929 feierte man das Schützenfest in Lüsche auf einem Saal. Dieser wird, nach einigen Jahren der Unterbrechung, auch heute wieder genutzt. Mit dem Jahr 1938 hatte der damalige 1. Vorsitzende, Hartwig Heers, einen veränderten Titel zu führen. So wurde ein “ Vereinsführer “ auf Dauer von 3 Jahren gewählt.
In den Jahren 1940 bis 1950 fanden keine Schützenfeste statt. Am 9. Juni 1951 wurde der Schützengedanke wieder entdeckt. Für den im Krieg gebliebenen Schützenkönig von 1939, Waldemar Bokelmann, übernahm Heinrich Singer die erste Königswürde. Das Schießen auf dem alten 100-m-Schießstand wurde wegen zunehmender Bebauung zu gefährlich. So planten und bauten die
Vereinsmitglieder in der Wiese, westlich des Vereinslokals einen 50-m-Schießstand. Geschossen wurde aber weiterhin über offenes Feld. Mußte zunächst noch ein „Scheibengucker“ aus einer Deckung heraus die Ergebnisse melden, schoß man bald auf Scheibenautomaten. Strengere Sicherheitsvorschriften hatten nach einigen Jahren, auch die Aufgabe dieses Schießstandes zur Folge.
Im Jahre 1969 bezog der Schützenverein, seinen heutigen Schießstand mit einem 50-m-Schießkanal und drei Seilzuganlagen. Das Schützenhaus diente damals als Schafstall und wurde dem Verein von Gutsbesitzer Wolfgang Beindorff auf Erbpacht überlassen. Im Schützenhaus erinnert eine große Übersichtstafel mit kleinen Schützenscheiben an alle Könige seit dem Gründungsjahr 1925.
Das Schützenwesen in Räderloh, Lüsche und Auermühle hat sich ständig fortentwickelt. Alljährlich wird, mit dem Freitag beginnend, am letzten Wochenende im Juli das traditionelle Schützenfest gefeiert. In der Umgebung weilende Urlaubsgäste sind gern bei den Feierlichkeiten dabei. Für die Vereinsgeschichte ist das Jahr 1988 von hervorzuhebender Bedeutung. So konnte unter großer
Anteilnahme, durch Gäste und Bevölkerung, das noch einzige noch lebende Gründungsmitglied des Schützenvereins Lüsche – Räderloh bei der Proklamation die Königswürde übernehmen. Mit 82 Jahren gab Albert Dörrheide den besten Königsschuß ab.
Hans-Hartmuth Müller
Quelle: Steinhorst Geschichte(n) eines Dorfes von 1989 – niedergeschrieben von Karsten Singer