Koschale eeten – Tradition in Steinhorst !

Foto Hans-Hartmuth Müller

Was ist eigentlich Koschale ???

Eigentlich ist die Erklärung recht einfach:

Koschale (Plattdeutsch ) =  Kaltschale (hochdeutsch )

Damit wäre ich auch schon fertig. Oder doch nicht ?

Sei is nich tau`n drinken und ok nich tau`n bieten, sei mot eleppelt werden.
So beschreibt 2006, Siegfried Mahlmann aus Nordsteimke bei Wolfsburg, die Koschale und weiter:

Wat is Koschale – op hochdütsch : Kaltschale
Honnischkauken, ok Roggen- oder Papperkauken, ward inne groote Satte enbröselt, un ne Pulle Branntwien, ok einfachen Sluk, da rober egoten, sau dat et`n dünnen Brie ward. Noch`n Slach Honnich da tau un Rosinen runder, damid et säuter smekket.

Op`n Dörpe word in fräuere Tieten in use gejend owerall Koschale tau bereitet.
Denne leppeln se alle to hope ut eine Satte von Stein,  mit Knackworst un Schinken da tau, bet dat de “ Buk vull “ was, dat dösten se an dussen Ahmed mal sau richtich.

Kinderbuchautorin Margret Rettich schrieb über die Koschale eine lustige Weihnachtsgeschichte:

Die Geschichte von der Koschale

„Einmal“, erzählte Ella, die bei uns saubermacht, „einmal wären meine drei Brüder und ich um die Weihnachtszeit fast Waisenkinder geworden, ohne Vater und Mutter allein auf der Welt.

Das ist lange her, und es kam so: Bei uns auf dem Dorf in Niedersachsen wurde früher Koschale gemacht, das war das Weihnachtsessen.
Eine Woche vorher backte man dazu große Mengen Pfefferkuchen auf dem Blech. Die eine Hälfte wurde in Rechtecke geschnitten, bekam Zuckerguss und wurde für uns Kinder zurückgelegt. Die andere Hälfte brockte man in große Steintöpfe, wie man sie auch für Gurken oder Sauerkraut nahm. Darüber goss man Branntwein, bis der Topf voll war. Er wurde zugedeckt und irgendwo hingestellt, wo es kühl war. Weihnachten kam er auf den Tisch.
Mit der Kelle wurde die Koschale in tiefe Teller gefüllt und mit Löffeln gegessen. Dazu gab es Brot und Knackwurst. Das war natürlich nur für die Großen, aber wir Kinder durften kosten.
Alle bekamen beim Essen rote Gesichter und wurden laut und fröhlich. Also – Mutter hatte wieder einmal den Steintopf gefüllt und zugedeckt. Unser Haus war klein und hatte keinen Keller.
Mutter wußte nicht recht, wohin mit der Koschale, und stellte sie schließlich in der Schlafkammer auf dem Spind, so haben wir damals den schmalen Kleiderschrank genannt.

In der Nacht wachte unser Vater auf, weil der Hund bellte. Vielleicht hatte der eine wildernde Katze gejagt, oder eine Eule war ihm vor der Nase entlang gestrichen. Er wollte sich nicht beruhigen, und als er endlich still war, konnte Vater nicht wieder einschlafen. Er kam ins Grübeln, dachte daran, was vor dem Weihnachtsfest noch alles zu erledigen war, und freute sich auf die gute Koschale.

Da fiel ihm ein, dass der Steintopf ganz in der Nähe war. Er meinte, es könnte nichts schaden, einmal zu probieren, ob Mutter die richtige Mischung angesetzt hatte. Zuviel Pfefferkuchen war nämlich nicht gut, zu viel Branntwein dagegen schadete nichts. Um Mutter nicht zu wecken, stieg Vater vorsichtig aus dem Bett, rückte den Schemel an den Spind, packte seine Jacke und seine Hose vom Schemel auf das Fensterbrett und kletterte hoch. Er angelte nach dem Deckel, lüftete ihn und fuhr mit der anderen Hand in die Koschale, denn einen Löffel hatte er nicht. Er schlürfte aus der hohlen Hand und fand, dass Mutter ihre Sache gut gemacht hatte.
Er stieg wieder vom Schemel und legte sich behutsam hin. Wir schliefen damals auf Säcken, die mit Stroh gefüllt waren und bei der kleinsten Bewegung raschelten. Doch Vater war so leise, dass Mutter nur einmal auf schnaufte, aber fest weiterschlief.
Es war ihm angenehm warm um den Magen herum geworden, und er schlummerte ein. Kurz darauf bellte der Hund wieder. Diesmal nur kurz, wie Hunde es tun, wenn die träumen. Aber Vater schreckte hoch und lag wieder wach. Er grübelte und dachte: Es soll wohl so sein. Oder vielleicht dachte er auch nichts. Jedenfalls kletterte er erneut auf den Schemel und fasste in die Koschale. Mutter reckte sich, aber sie wachte nicht auf. Vater hatte nun zu seinem warmen Bauch auch noch ein heißes Gesicht bekommen.
Er war zwar müde, meinte jedoch, es sei besser, gleich noch einmal an die Koschale zu gehen, denn wenn er erst einmal schlief, kam er nicht mehr dazu. Auch war es gut, mehrmals zu schlürfen, damit er danach seine Ruhe hätte. Als er sich wieder hingelegt hatte, war ihm so, als wenn das Bett schaukelte, und manchmal, als wenn es flöge und über Kopf landete.
Aus Erfahrung kannte Vater dagegen ein gutes Mittel. Er stellte einen Fuß fest auf den Boden: sofort stand das Bett still. Aber jetzt wurde Vaters Fuß langsam kalt. Draußen war Frost, und der zog mächtig durch die Fensterritzen. Mutter legte abends immer einen Feldstein in die Ofenröhre. Wenn der heiß war, wickelte sie ihn in ihre Schürze und legte ihn ins Bett an das Fußende.
Vater lachte sie sonst aus, denn er hatte niemals kalte Füße. Jetzt wäre er gern mit unter Mutters Decke geschlüpft. Doch er traute sich nicht, denn gewöhnlich hatte Mutter einen leichten Schlaf und wachte sofort auf.
Er sagte sich: Die Koschale hat mir den Magen und das Gesicht erwärmt, nun soll sie auch etwas für meinen kalten Fuß tun. Es fiel ihm nicht mehr so leicht wie vorher, auf den Schemel zu klettern, denn der wackelte genauso wie das Bett. Vater stützte sich mit dem anderen Fuß auf dem Fensterbrett ab, bis sich der Schemel beruhigt hatte. Er mußte mit beiden Händen suchen, ehe er den Koschaletopf fand. Als er ihn endlich hatte, polterte der Deckel nach unten, das machte ziemlichen Lärm.
Mutter schreckte hoch und rief: „Was ist denn?“ Vater fuhr zusammen, rutschte mit dem einen Fuß vom Fensterbrett, mit dem anderen vom Schemel und stürzte auf die Bettkante. Dabei stieß er sich den Rücken und bekam viele blaue Flecken. Er riss den Koschaletopf mit sich, und der landete haargenau neben Mutters Kopf auf dem Strohsack.
„Ja, so war das“, sagte Ella. „Es ging noch alles gut aus. Schließlich konnte Vater sich den Hals brechen, und um ein Haar hätte der Steintopf unsere Mutter erschlagen. Dann wären wir Waisenkinder gewesen. So war es nur ein Unglück, daß Vater zu Weihnachten keine Koschale bekam, denn die war in den Strohsack gelaufen.
Mutter hat alles draußen auf den Mist gebracht und sich einen neuen Sack in der Scheune gestopft. Unsere Hühner und Gänse torkelten tagelang auf dem Hof umher. Mutter sprach bis Neujahr kein Wort mit Vater. Der humpelte durch das Dorf und erzählte allen, er hätte schweres Rheuma.
Im Jahr darauf stellte Mutter den Steintopf mit der Koschale bis Weihnachten zur Nachbarin in den Keller.“

Ich kann nicht sagen, seit wann es die Koschale in Steinhorst gibt. Bei uns in Steinhorst wird sie auch nicht zu Weihnachten „verzehrt“ sondern im Februar zur Faslam Zeit, bei der Bürgerversammlung. Faslam hat nichts mit Karneval zu tun.

Sie wird hergestellt aus Pietschenknaller wie man früher sagte . Heute ist es einfacher Korn , der mit Honig vermischt wird. Das genaue Mischungsverhältnis ist nur wenigen Personen bekannt. Die Koschale wird dann in Schüsseln gefüllt und mit groben Zwiebackbröseln  „garniert“.

Diese werden in der Mitte des Tisches gestellt, so das 4-6 Personen aus einer Schüssel löffeln können. Wenn jemand mit dem Löffel auf den Schüsselrand klopft, heißt es für die anderen am Tisch, zu den Löffeln. Alle anderen klopfen auch, erst jetzt wird die Kaltschale gelöffelt.


Jeder bringt sich ein Stück Mettwurst, Schinken oder auch andere Wurst mit. Mit einem scharfen Messer wird die Wurst riebe abgeschnitten und dazu gegessen. Zwischendurch wird natürlich immer wieder geklopft.

Früher war diese Tradition nur im Raum Gifhorn-Wolfsburg-Braunschweig bekannt. Heute wird  vermutlich nur noch in Steinhorst diese Tradition bewahrt.

Text und Fotos : Hans-Hartmuth Müller
Fotos von der Bürgerversammlung von 2015

Quelle:
-Ostfalenpost – Informationsblatt des Arbeitkreises Ostfälische Post e.V., Des Ostfälischen Instituts in Helmstedt und der Arbeitsgruppe Plattdeutsch in der Brauschweigischen Landschaft e.V..
 –Der metaphysische Realist: zur Schopenhauer-Rezeption in Wilhelm Raabes Spätwerk von Søren R. Fauth
-Wirklich wahre Weihnachtsgeschichten 1976 von Margret Rettich


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